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23. Januar 2006. Analysen: Wirtschaft & Soziales - Indien Homosexualität und Menschenrechte in Indien

Die Organisation Humjinsi, Teil des Centre for Human Rights and Law in Mumbai gab 1999 erstmals ein Handbuch zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Rechten in Indien heraus. Die Idee hierfür wurde auf einem Workshop zur Förderung der Rechte Homosexueller 1997 entwickelt. Es war nach eigener Angabe das erste Mal, dass eine Menschenrechtsorganisation und eine Frauengruppe gemeinsam mit queeren Gruppen einen Workshop in Indien organisiert haben. Es war ein bewusster Schritt, um Homosexualität nicht nur als eine Randgruppenidentität darzustellen, sondern den Menschenrechtsaspekt in den Mitelpunkt zu rücken. Auch Narrain (2004) stellt diesen Aspekt in seinem Buch "Queer" in den Mittelpunkt.

Die Kampagne Voices against 377 argumentiert, dass Sexualität häufig als bürgerliches Thema abgetan wird. Dabei wird Homosexualität oft als eine Abweichung von der Norm behandelt, die unter dem Gesichtspunkt von individuellen Rechten, aber nicht unter dem Aspekt der Menschenrechte behandelt werden muss. Allgemein werden Fragen von Armut, Unterdrückung auf der Basis von Geschlecht, Klasse und Kaste als wichtiger als jene auf der Basis von sexueller Orientierung gesehen. Dabei werde vergessen, dass all diese Formen von Unterdrückung durch die patriarchale Gesellschaft, Kapitalismus, das Kastensystem und religiösen Fundamentalismus bedingt sein. Es sei widersinning, dass Menschenrechtsaktivisten, die sich unteilbaren Rechten verschrieben haben, Rechte der sexuellen Selbstbestimmung als Rechte einer Minderheit abtun. Voices against 377 ruft daher dazu auf, auch diese Rechte als integralen Bestandteil des Kampfes für ökonomische, politische und soziale Gerechtigkeit zu sehen.

Auch Amnesty International Indien, die Mitglied von Voices against 377 sind, argumentiert, dass sexuelle Orientierung nicht einfach eine Frage von individueller Freiheit ist. Gesetze und Regelungen wie Section 377 zwingen die Einzelnen ihre sexuelle Orientierung zu ändern oder zu verleugnen bzw. sie bestrafen, wenn dies nicht erfolgt. Das aber sei ein Angriff auf die Menschenwürde und damit eine Frage der Menschenrechte. Die durch sie bedingte physische und psychologische Gewalt verletzte zudem das Selbstwert der Betroffenen, da sie sich selbst verleugnen sollen. Daher, führt Amnesty International aus, ist die Kriminalisierung von sexueller Orientierung und Identität sowie von einvernehmlichem gleichgeschlechtlichen Sex unter Erwachsenen eine Verletzung der Menschenrechte.

Auch die Herausgeber der Menschenrechtszeitschrift "Combat Law" sehen das so und haben deshalb 2003 eine Sonderausgabe zum Thema "Redefining Oppressions and Articulating Rights - Marginalised Sexualities and Genders in India" herausgegeben. Sie beklagen, dass der indische Staat Homosexualität immer noch als ein unnatürliches Verhalten behandelt, und begrüßen, dass immer mehr Homosexuelle sich öffentlich bekennen und Diskussionen anregen.

Ein konkretes Beispiel für die Verletzung der Menschenrechte durch Section 377 ist der Fall eines Homosexuellen, der jahrelanger psychiatrischer Behandlung mit Medikamenten und Schocktherapie ausgesetzt war, mit dem Ziel ihn von seiner Homosexualität zu heilen. Da er durch die Behandlung nicht "geheilt" wurde, aber sehr unter ihr gelitten hat, wandte er sich an die NAZ Foundation. Diese legte dann bei der National Human Rights Commission (NHCR) eine Beschwerde ein wegen psychologischer Misshandlung eines Patienten des All India Institute of Medical Sciences. Die NHRC wies die Beschwerde ab. Laut Zeitungsangaben sagte ein Vertreter der NHRC:

"Homosexuality is an offence under IPC, isn't it? So do you want us to take cognizance of something that is an offence."

Narrain (2004: 11) sieht allerdings im Recht nicht nur die Quelle von Diskriminierungen sondern auch für ihre Bekämpfung:

"[...] that law while being complicit in the silencing and stigmatising the queer community, is also a part of beginning the very assertion of queer rights and a queer identity through the discourse of universal human rights. Thus, in the contemporary context, while law has been complicit in the violation of rights, it is also the very language which is being used to question the practices of power."

Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Queer South Asia .

Quellen

  • Fernandez, Bina (Hg.) (2002): Humjinsi. A resource book on Lesbian, Gay and Bisexual Rights in India, Mumbai.
  • Narrain, Arvind (2004): Queer. Despised Sexuality, Law and Social Change, Bangalore.
  • "Redefining Opressions and Articularting Rights - Marginalised Sexualities and Genders in India", in: Combat Law - The Human Rights Magazine, Vol.2, No.4, October/November 2003.

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