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15. Dezember 2003. Bangladesch Wirtschaft

Bangladesh ist eines der ärmsten Länder der Welt und abgesehen von Nepal das ärmste Land Südasiens. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2004 wird von der Weltbank mit 61,3 Milliarden angegeben (zum Vergleich: in Deutschland ca. 2 Billionen US-Dollar). Dies entspricht einem BIP pro Person 440 US-Dollar (zum Vergleich: in Indien 620 US-Dollar und in Pakistan 600 US-Dollar.

Allgemeiner Überblick

Nach der Staatsgründung 1971 forcierte der erste Ministerpräsident Mujibur Rahman eine wirtschaftliche Entwicklung nach sozialistischem Vorbild. Sämtliche Industrieunternehmen und Banken wurden verstaatlicht. Nur das landwirtschaftlich genutzte Eigentum verblieb im Privatbesitz. Mit dem Ende der Militärherrschaft 1991 wurden durch die erste frei gewählte Regierung unter der Führung der Bangladesh Nationalist Party deutliche Schritte zur Etablierung marktwirtschaftlicher Strukturen unternommen. Bald stellten sich erste ökonomische Erfolge ein. So wuchs das BIP Bangladeshs in den 1990er-Jahren um durchschnittlich 4,8%. Dies entspricht einer durchschnittlichen Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens von 2,5%. Im Jahr 2002 betrug die Wachstumsrate des BIP 4,4%, das Pro-Kopf-Einkommen nahm um 2,7% zu.

Das weitaus größte Problem Bangladeshs ist die Massenarmut. Trotz erheblicher Verbesserungen in den letzten Jahren beträgt der Anteil der Bevölkerung, der von absoluter Armut betroffen ist, d.h. mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen müssen, 36% der Bevölkerung (im Zeitraum 1993-2003). Noch 1983 betrug der Anteil der verarmten Bevölkerung etwa 41%. Erfolge bei der Armutsbekämpfung wurden allerdings hauptsächlich in den Städten erreicht, wo der Anteil der absolut Armen nur noch bei 14,3% (Stand: 1996) liegt, während sich in den ländlichen Gebieten nur kleine Erfolge einstellten (39,8% absolute Armut 1996). Die Massenarmut wirkt sich auch auf die Ernährungssituation des Landes aus: So lebt knapp die Hälfte der Bevölkerung von weniger als 2122 Kilokalorien pro Tag. Das politische Ziel, die Armut bis 2020 auf einen Anteil von 10% der Gesamtbevölkerung zu senken, scheint kaum noch erreichbar zu sein. Dazu wäre nach Schätzungen der Weltbank ein jährliches Wirtschaftswachstum von 7-8% notwendig.

Die Arbeitslosenquote lag 2002 nach Angaben des Bangladesh Bureau of Statistics bei 3,0%. 1996 waren demnach 2,5% der Arbeitsfähigen ohne Arbeit. Allerdings wurde die Zahl der Unterbeschäftigten (Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich) für das Jahr 1996 mit etwa 13,9% der arbeitsfähigen Bevölkerung angegeben. Vermutlich sind in diesen Angaben weite Teile der ländlichen Bevölkerung und der saisonal Beschäftigten nicht berücksichtigt.

Binnenwirtschaft

Die Volkswirtschaft Bangladeshs hat sich – zumindest in monetärer Hinsicht – in den Jahren seit der Unabhängigkeit von einer vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Ökonomie zu einer Industrie- und Dienstleitungsökonomie gewandelt. Der traditionell stark entwickelte Sektor der Landwirtschaft trägt heute nur noch knapp ein Viertel zur Wertschöpfung des Landes bei. Demgegenüber steht ein erheblicher Bedeutungsgewinn des industriellen Sektors und des Dienstleistungsbereichs.

Gleichwohl sind nach wie vor etwa die Hälfte der Erwerbstätigen im landwirtschaftlichen Sektor tätig (zum Vergleich 1973: 79%). Insbesondere für die ländliche Bevölkerung (etwa drei Viertel der Gesamtbevölkerung) stellt die landwirtschaftliche Produktion die einzige Möglichkeit dar, den Lebensunterhalt zu verdienen. Der Anteil der landwirtschaftlichen Produktion am BIP lag im Jahr 2002 bei 22,3%.

Die weitaus wichtigste Nutzpflanze ist Reis. Mehr als 11 Millionen Hektar (etwa 77% der gesamten Nutzfläche) werden zum Anbau von Reis genutzt. Des Weiteren gewinnt der Anbau von Weizen eine immer größere Bedeutung. So hat sich die Anbaufläche für Weizen seit 1961 auf 832.000 Hektar fast verfünfzehnfacht. Dennoch ist Bangladesh weiterhin auf den Import von Weizen angewiesen.

Eine weitere wichtige Nutzpflanze ist Jute. Auch wenn ihre Produktion mehr und mehr zurückgedrängt wird, ist Jute immer noch eine wichtige Einnahmequelle auf dem Weltmarkt.

Von wachsender volkswirtschaftlicher Bedeutung ist das "Aquafarming", die Zucht von in erster Linie für den Export bestimmten Fischen und Schalentieren. Die ökologischen und letztlich sozialen Kosten dieses neuen Wirtschaftszweigs sind hoch: Die Böden des dicht besiedelten Landes versalzen durch die Überflutung von Feldern. Dennoch werden diese negativen Folgen aufgrund der großen Gewinne, die sich durch den Export erzielen lassen, von politischer Seite vernachlässigt.

Während 1973 nur knapp 5% der Beschäftigten Bangladeshs im industriellen Sektor tätig waren, lag der Anteil 2002 schon bei 15%. Die industrielle Produktion erwirtschaftete dabei mit 12,1 Milliarden US-Dollar 25,6% des BIP.

Der Aufschwung des industriellen Sektors ist in erster Linie dem Boom der Textilindustrie zu verdanken. Ihren Anfang nahm diese Erfolgsgeschichte, als südkoreanische Textilproduzenten in den 1980er Jahren versuchten, die Quoten für Textilimporte der Industrieländer zu umgehen, indem sie sich vermehrt in Bangladesh ansiedelten. Heute beschäftigt die insbesondere in der Umgebung der Großstädte Dhaka und Chittagong ansässige Textilindustrie etwa 1,5 Millionen Menschen. Der Staat unterstützt diesen Industriezweig mit einigen Sonderregelungen, u.a. mit der Zollbefreiung aller textilen Vorprodukte. Trotz der protektionistischen Handelpolitik der Industrieländer im Textilbereich in Form von Mengenkontingenten gelang es Bangladesh, sich auf dem Weltmarkt durchzusetzen. Mit dem Ende des Welttextilabkommens und der damit verbundenen Abschaffung von Mengenbeschränkung kann mit einer verstärkten Fortsetzung der Erfolgsgeschichte gerechnet werden.

Bezahlt wird der Erfolg allerdings mit schlechten Arbeitsbedingungen wie z.B. Niedrigstlöhnen, mangelnder Arbeitssicherheit und Kinderarbeit. So werden in den Industrieländern vermehrt Rufe nach Regelungen laut, soziale Mindeststandards für den internationalen Handel einzuführen. Dass eine solche Maßnahme den Arbeitnehmern in der Textilbranche Bangladeshs wirklich zu gute kommen würde, wird von manchen Experten allerdings bezweifelt. Sie vermuten vielmehr, dass mit der Etablierung dieser Mindeststandards ein neues Protektionsinstrument geschaffen würde, um die heimischen Märkte der Industrieländer vor Billigkonkurrenz abzuschotten.

Bangladesh ist ein rohstoffarmes Land. Es verfügt über geringe Erdgasvorkommen. So müssen 7,5% des Importvolumens für den Kauf von fossilen Brennstoffen aufgebracht werden. Die einheimische Elektrizitätsproduktion deckte 2001 inzwischen 86,2% des nationalen Energiebedarfs.

Im Dienstleistungssektor arbeiten etwa 35 % der Erwerbsbevölkerung Bangladeshs (1973 waren es noch 16%), die mehr als die Hälfte des BIP durch Dienstleistungen erwirtschaften.

Außenwirtschaft

Nach der Einleitung marktwirtschaftlicher Reformen 1991 öffnete Bangladesh zunehmend seine Märkte für ausländische Produzenten. Im Zuge dieser Liberalisierung vergrößerte sich sowohl das Import- als auch das Exportvolumen. Die Leistungsbilanz verschlechterte sich dabei zunehmend und ist seit 1995 negativ. Diese Entwicklung konnte auch nicht durch die Verbesserung des Verhältnisses von durchschnittlichen Export- zu durchschnittlichen Importpreisen (Terms of Trade) in den 1990er Jahren verhindert werden.

Trotz der Fortsetzung des Liberalisierungskurses sind die Märkte Bangladeshs nach wie vor durch hohe Zölle und andere Protektionsinstrumente geschützt.

Im Jahr 2000 wurden Güter und Dienstleistungen im Wert von 9,7 Milliarden US-Dollar (20,5% des BIP) importiert. Damit stieg das Volumen des Imports in den 1990er Jahren um durchschnittlich 9,3% pro Jahr. Importprodukte sind insbesondere Kapitalgüter (25,6%), Textilien (21,5%), Petroleum (6,1%) und Lebensmittel (4,1%). Wichtigste Importländer sind dabei die Volksrepublik China mit Hongkong, Indien und Singapur.

Das Volumen des Exports nahm in den letzten Jahren stark zu und erreichte 2000 ein Niveau von 6,5 Milliarden US-Dollar (13,8% des BIP). Dabei entwickelte sich insbesondere der Export von Waren aus der Textil- und Bekleidungsindustrie zum Wachstumsmotor. Aufgrund des geringen Lohnniveaus siedeln sich vermehrt Textilunternehmungen aus den Industrieländern in Bangladesh an. Der Anteil der Textilien an den Exporteinnahmen lag 2000 bei etwa 75%. Weitere Exportprodukte sind Garnelen, Tee und Leder.

Der Anteil der Exporteinnahmen durch Jutefasern an den gesamten Exporterlösen lag 2000 nur noch bei 1,6% (zum Vergleich 1980: 19%). Zwar dominiert Bangladesh mit einem Anteil von 87% den Weltmarkt für Jute, seine Jutehersteller stehen aber in wachsender Konkurrenz mit Produzenten synthetischer und anderer natürlicher Faserstoffe (wie z.B: Kenaf aus Thailand oder Meste aus Indien). Dieser verstärkte Wettbewerb zog einen gravierenden Preisverfall nach sich: So halbierte sich der Preis für Jute im Vergleich zu 1985.

Wichtigste Exportländer sind die USA (22,4% der Gesamtexporte), Deutschland (14,5%) und Großbritannien (11,2%).

Trotz vermehrter Anstrengungen gelang es der Regierung nur in begrenztem Maße, ausländische Investoren ins Land zu locken. So beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2000 auf gerade einmal 280 Millionen US-Dollar (etwa 0,6% des BIP). Insbesondere Rechtsunsicherheit, Regulierungswut und Korruption der Bürokratie schrecken ausländische Investoren davor ab, ihr Geld in Bangladesh zu investieren.

Staat und Wirtschaftspolitik

Nach ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im Jahr 1991 führte die Bangladesh Nationalist Party (BNP) zahlreiche Wirtschaftsreformen durch, die darauf abzielten, marktwirtschaftliche Strukturen zu etablieren. Dieser Kurs wurde von der von 1996 bis 2001 regierenden Awami League, und seit 2001 erneut von der BNP, fortgeführt.

1992 wurde mit der Einführung einer Mehrwertsteuer die Einnahmesituation des Staates erheblich verbessert. Zudem gelangen erste Schritte bei der Privatisierung von staatlichen Industrieunternehmen. Des Weiteren wurden Strukturen geschaffen, die einen freieren Kapitalverkehr ermöglichen.

Die Währung Bangladeshs, der Taka, ist seit 1992 frei handelbar. Trotz der sehr geringen Devisenreserven, die nur die Ausgaben für Importe von etwa 45 Tagen decken, finden erhebliche Interventionen der Zentralbank Bangladeshs statt.

Die Öffnung der Gütermärkte ist erklärtes Ziel der Politik. So wurden Zölle, Subventionen und Einfuhrquoten in den 1990er Jahren gravierend reduziert.

Allerdings wurde der Wechsel von einer staatsdirigistischen Wirtschaftsordnung zu einem marktwirtschaftlichen System nur begrenzt vollzogen. Einige Bereiche der Volkswirtschaft Bangladeshs, wie z.B. der Arbeitsmarkt und die öffentliche Verwaltung, blieben bisher von den Reformen unberührt.

Die Verschuldung des Landes lag im Jahr 2000 bei 33,3% des BIP. Der Politik gelang es somit, den Schuldenstand von 46,3% im Jahr 1994 erheblich zu reduzieren. Ein weiterer wirtschaftspolitischer Erfolg Bangladeshs ist die Reduktion der jährlichen Inflation auf einen Wert von 1,8% im Jahre 2001.

Quellen

  • Ahammad, H. (1995): Foreign Exchange and Trade Policy Issues in a Developing Economy. The Case of Bangladesh, Aldershot:Avebury
  • Worldbank (1999): Bangladesh – From Counting the Poor to Making the Poor Count, Washington
  • Quibria, M.G. (1997): The Bangladesh Economy in Transition, Delhi: Oxford University Press

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