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15. Mai 2001. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Hohe Wahlbeteiligung trotz Gewalt

Erste Kommunalwahlen in Bihar seit 23 Jahren

Zwischen dem 11. und 30. April 2001 fanden in Bihar, Indiens drittgrößtem Unionsstaat, die Wahlen zum Panchayat-System, der dreistufigen ländlichen Lokalverwaltung, statt. Mehr als 400.000 Kandidaten bewarben sich um die Posten in den 8.438 Dorfräten (gram panchayats), 529 Entwicklungsblockräten (panchayat samitis) und 37 Distrikträten (zila parishads). Erstmals war ein Drittel der Mandate für Frauen reserviert.

Die Wahlen waren mehr als überfällig: Obwohl sie seit der Verfassungsänderung durch den Panchayati Raj Act von 1992 alle fünf Jahre stattfinden sollen, waren es die ersten Kommunalwahlen in Bihar seit 1978. Wie in anderen Unionsstaaten auch hatten Landesregierungen egal welcher Couleur seitdem die Stärkung der lokalen Selbstverwaltung blockiert und Neuwahlen verhindert. Neben den Vorgaben des Panchayati Raj Act war es der Druck der aufstrebenden Mittelkasten, der die Wahlen nun erzwungen hatte. Unzufrieden mit der Patronagepolitik der herrschenden Clique um Laloo Prasad Yadav und seine Ehefrau, Ministerpräsidentin Rabri Devi, hatten sie in der Vergangenheit immer lauter eine Teilhabe an der Macht gefordert.

Die Verfassungsänderung von 1992 hat die Kompetenzen der Panchayat-Institutionen erheblich erweitert. Ihnen wurde die Verantwortung für wichtige Bereiche wie Gesundheitsfürsorge, Landwirtschaft, öffentliche Brunnen und die Umsetzung von Landreformen übertragen und ihre finanzielle Ausstattung verbessert.

Da angesichts des Machtzuwachses der lokalen Selbstverwaltung ein heißer Wahlkampf im bitterarmen Bihar erwartet worden war, waren bereits im Vorfeld des Urnengangs 40.000 potentielle Störer festgenommen worden. Während der Wahlen waren 50.000 Landespolizisten mit Unterstützung von 57.000 Home Guards und Kräften der Central Reserve Police Force im Einsatz. Die Grenze zu Nepal wurde geschlossen, und aus benachbarten Unionsstaaten hatte sich die Landespolizei 15.000 Gewehre geliehen, um die Wahllokale zu sichern.

Trotz der massiven Sicherheitsvorkehrungen wurden die Wahlen überschattet von zahlreichen Manipulationen und Gewaltakten, die etwa 100 Menschenleben forderten. In mehreren Distrikten verhinderten lokale Mafiosi Gegenkandidaturen, und einflußreiche Landespolitiker versuchten, Familienangehörige zu protegieren: Im Distrikt Gopalganj ließ Ministerpräsidentin Rabri Devi ihren Vater als Dorfschulzen (Mukhia) kandidieren - unterstützt von einem ihrer Brüder mit seinen Schlägern und lokaler Polizei. Laloo Prasad Yadav, Chef der regierenden Rashtriya Janata Dal, schickte in seiner Heimat Phulwaria einen Neffen ins Rennen und seinen jüngeren Bruder Gulab Rai, der - nach einer umstrittenen Entscheidung des lokalen Wahlkommissars - erst in der dritten Stimmauszählung mit knappem Vorsprung einen Sitz im Blockrat gewann.

Insgesamt aber waren die Wahlen ein Votum für die Demokratie: Die Wahlbeteiligung war mit 65 Prozent für indische Verhältnisse hoch. Überraschend für das patriarchal geprägte Bihar war die rege Teilnahme der Frauen, von denen nach offiziellen Angaben etwa die Hälfte der abgegebenen Stimmen kam. Auch die Dalits machten von ihrem Wahlrecht in großer Zahl Gebrauch und einigen ihrer Kandidaten gelang es sogar, Stimmen von Oberkasten auf sich zu vereinigen. Selbst die maoistischen Naxaliten vermochten sich der Anziehungskraft der Wahlen nicht vollständig zu entziehen. Obwohl die militanten Guerillagruppen zum Boykott aufgerufen hatten, kandidierte im Gaya-Distrikt Gupta Yadav, ein Kader des Maoist Communist Centre, und aus anderen Gegenden wurde berichtet, daß führende Naxaliten, die Dorfbewohner vergeblich angefleht hatten, den Wahlen fernzubleiben.

Quellen

  • Bihar panchayat polls notified, in: The Hindu, 9.2.2001
  • Rajesh K. Jha: Panchayat elections in Bihar, in: The Bihar Times
  • Security blanket over Bihar for panchayat poll, in: rediff.com, 11.4.2001
  • Kalyan Chaudhuri: Violent elections in Bihar, in: Frontline, Vol.18, No.10, 12.-25.5.2001
  • Ajay Kumar: Bihar´s Panchayat elections. The media misses the real story, in: The Hoot. Watching the Media in the Subcontinent
  • Panchayat results make a mockery of election rules, in: Times of India (Patna Edition), 30.5.2001

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