Inhalt

25. Februar 2003. Nachrichten: Politik & Recht - Pakistan Musharrafs Staatsbesuch in Moskau

Pakistans Präsident General Pervez Musharraf traf während eines dreitägigen Besuchs am 4. Februar 2003 in Russland mit seinem russischen Amtskollegen Vladimir Putin zusammen. Erklärtes Ziel Musharrafs war es, die bisher kühlen Beziehungen zwischen Islamabad und Moskau zu erwärmen. Er reiste als erster pakistanischer Präsident seit über 30 Jahren nach Moskau. Zuletzt war Zulfikar Ali Bhutto 1970 zu Gast.

Pakistans Distanzierung von islamistischen Organisationen und das auffällige Desinteresse der USA haben die Annäherung trotz der Freundschaft Russlands mit Indien ermöglicht. Im Vormonat war im Zuge der neuen Entspannungspolitik erstmals eine pakistanische Militärdelegation in die russische Hauptstadt gereist, um strategische Fragen zu diskutieren. China, Pakistans Hauptverbündeter, begrüßte die Annährung an Moskau. Sie sei "ein Beitrag zu Frieden und Entwicklung in der Region".

Pakistan, das durch den Präsidentenbesuch seine einstige noch aus Sowjetzeiten stammende Feindschaft mit Russland beigelegt hat, ist vor allem an wirtschaftlicher Zusammenarbeit interessiert. Putins Schwerpunkt in den bilateralen Gesprächen lag dagegen besonders bei der Terrorismusbekämpfung und der Stabilität in Süd- und Zentralasien. In Moskau wird Pakistan allerdings auch nach seinem Beitritt zur so genannten Anti-Terror-Koalition im Gefolge des 11. Septembers 2001 als potenzieller Hort islamistischer Terroristen betrachtet. Putin hat mehrfach - zuletzt während seiner Indien-Reise im Dezember 2002 - Pakistan aufgefordert, die auf seinem Territorium bestehende "terroristische Infrastruktur zu zerschlagen". Die in Kashmir operierende Gruppe Lashkar-e-Toiba wird auf der bisher 15 Namen enthaltenden Liste terroristischer Organisationen genannt, die Russland nach dem Vorbild der USA führt. So erwartet Moskau von Islamabad größere Anstrengungen bei der Bekämpfung von militant-islamistischen Gruppen, die zum Teil auch in Tschetschenien aktiv sind. Bemüht war Musharraf daher, rechtzeitig vor seinem Abflug den Verdacht zu zerstreuen, dass sich Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden in Pakistan aufhalte.

Der Indien-Faktor

Insbesondere aufgrund des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan waren Russland und Pakistan in der Vergangenheit Gegenspieler. Aber auch das enge Verhältnis der Sowjetunion zu Indien, das Russland fortführte, trug erheblich zu dem schlechten Verhältnis zwischen Moskau und Islamabad bei.

Moskau drängte zuletzt auf eine Wiederaufnahme des indisch-pakistanischen Dialogs zur Lösung des Kashmir-Konflikts. Putin hatte im Sommer 2002, als der Konflikt zwischen Indien und Pakistan zu einem Krieg zu eskalieren drohte, mit mäßigem Erfolg bei einem Treffen im kasachischen Almaty zu vermitteln versucht. Damals lud er auch Musharraf nach Moskau ein. Dieser wollte Putin eigentlich von seiner Kashmir-Position überzeugen und ihn nach eigenen Aussagen als Vermittler gewinnen.

Es hieß, dass dem Kreml zwar auch an besseren Handelsbeziehungen gelegen wäre, doch auf gewissen Gebieten, wie etwa der Waffen- oder Raumfahrttechnologie, ist der Handlungsspielraum durch die lange, enge und lukrative Partnerschaft mit Indien in diesen Bereichen begrenzt. Medienberichten zufolge telefonierte Putin noch kurz vor Musharrafs Ankunft mit Indiens Premierminister Vajpayee und sicherte diesem zu, dass der Besuch keine Neupositionierung Moskaus in der Rivalität zwischen Pakistan und Indien zur Folge haben werde. Daher musste sich Musharraf von Putin erklären lassen, dass Fortschritte in den bilateralen Beziehungen nicht zulasten der traditionellen Partner Moskaus gehen dürften.

Pakistans Interesse an Russland betrafen aber auch andere Gebiete. So will man russische Erdölkonzerne für die Entwicklung der eigenen Ölindustrie und für den geplanten Bau von Gas-Pipelines vom Iran nach Indien gewinnen, ähnliche Vorstellungen bestehen für die Strecke Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan.

Der Plan russische Waffen zu kaufen, um sich wenigstens teilweise aus der Anhängigkeit von den USA zu lösen, scheiterte am Einspruch New Delhis. Indien ist durch seine jährliche Waffenkäufe im Wert von etwa einer Milliarde US-Dollar neben China der wichtigste Abnehmer russischer Waffen.

Russland hat mit Indien erst im vergangenen Monat beim Besuch des indischen Verteidigungsministers Fernandes ein Abkommen über die gemeinsame Entwicklung eines Kampfflugzeugs, die gemeinsame Produktion von Marschflugkörpern und den Verkauf von U-Booten abgeschlossen. Das Handelsvolumen zwischen Russland und Pakistan erreichte dagegen im vergangenen Jahr nicht einmal 100 Millionen US-Dollar.

Fazit des Besuchs

Insgesamt vollzog sich die Annäherung nur vorsichtig, nicht zuletzt da der Kreml auf Pakistans Erzrivalen Indien Rücksicht nahm. Bei den strategischen Überlegungen Moskaus, ein Regionalbündnis in Kooperation mit China und Indien zu bilden, spielte Pakistan bisher keine Rolle. Dies wird sicher auch in Zukunft so bleiben.

Dennoch kann der Besuch Musharrafs sicherlichals historisch bezeichnet werden. Letztendlich unterzeichneten Vertreter beider Länder Abkommen über eine bessere Zusammenarbeit in Wissenschaft, Bildung, Kultur und zwischen den Innenministerien. Die Zusammenarbeit der Innenministerien soll vor allem dem Kampf gegen den Terrorismus und gegen den Rauschgifthandel dienen. Ein wirtschaftlicher Erfolg war für Pakistans Präsident die Unterzeichnung des Vertrags über den Ausbau und die Modernisierung der Pakistan Steel Mills, und er erneuerte das Angebot für eine Kooperation im Öl- und Gassektor.

Entgegen seiner urspünglichen Absicht bat Musharraf den russischen Präsidenten allerdings nicht um eine Vermittlerrolle im Kashmirkonflikt. Angesichts des demonstrativen Schulterschlusses, den Putin mit Indien im Vorfeld des Gipfels übte, verwundert dies kaum.

Quellen

  • Diverse Meldungen von BBC South Asia
  • Nasim Zehra: After two decades in Moscow, in: The News, 4.2.2003
  • China hails Musharraf's visit to Russia, in: The News, 4.2.2003
  • Musharraf arrives in Moscow with 'big hopes', in: > The News, 5.2.2003
  • Musharraf rules out conditional talks with India, in: > The News, 7.2.2003

Kommentare

Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.