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US-Außenminister Colin Powell setzte derweil sein indirektes Bemühen fort, nach seinen Gesprächen in Islamabad mit der indischen Führung in New Delhi die Sicherheitslage zwischen den beiden südasiatischen Erzrivalen zu erörtern. Altroutinier Henry Kissinger traf sich mit dem indischen Premier Atal Behari Vajpayee zu einem Gedankenaustausch. Diese dichte Abfolge des indisch-amerikanischen Dialogs verdeutlicht einerseits die fortwährend gefährlichen Spannungen zwischen Indien und Pakistan, aber auch die veränderte geopolitische Lage mit eindeutigen US-Interessen in der Region sowie die qualitativ verbesserten Beziehungen zwischen Indien und den USA.
Jaipal Reddy, einstiger Weggefährte Fernandes, mokierte sich mir gegenüber über "die vielfältigen Kehrtwendungen des ehemaligen Sozialisten mit seinen einst prominenten anti- nuklearen und anti-imperialistischen Positionen". Fernandes, dessen nach dem Tehelka-Schmiergeldskandal gerade wieder eingenommener Ministersessel aufgrund neuer Enthüllungen mehr als bedenklich wackelte, stieg nach dem Angriff auf das indische Parlament am 13. Dezember 2001 und der allgemeinen Mobilmachung der indischen Streitkräfte wie ein Phönix aus der Asche.
Seine Reise in die USA, "die Heimkehr des verlorenen Sohnes", so Jaipal Reddy mit leicht bitterer Ironie, kann als ein wichtiger Schritt in der Annäherung und Zusammenarbeit zwischen den beiden größten Demokratien der Welt gewertet werden. George Fernandes sprach von einem "Meilenstein" in der "Vorwärtsbewegung" zwischen beiden Ländern, trotz öffentlich nicht näher erwähnter Meinungsverschiedenheiten. "Heute ist die Beziehung qualitativ verschieden gegenüber der Zeit des Kalten Krieges."
In einem Militärabkommen (General Security on Military Information Agreement) vereinbarten beide Seiten den Austausch klassifizierter militärischer Informationen. George Fernandes artikulierte das indische Interesse, Militärgüter und Technologie aus den USA zu erwerben. Insbesondere erinnerte er an ein in den achtziger Jahren nicht realisiertes Projekt für ein leichtes Kampfflugzeug. Der indische Verteidigungsminister begrüßte, dass die USA nichts gegen den Verkauf des israelischen Phalcon Airborne Warning and Control System (AWACS) an Indien einzuwenden hätten, ganz im Gegensatz zu früheren israelischen Verkaufsplänen an die Volksrepublik China.
In den nächsten Wochen wird es zu einem regen Besuchsaustausch auf höchster militärischer Ebene kommen. Wahrscheinlich werden amerikanische Schiffe mit hochwertigem Militärgerät bei der Fahrt durch die Straße von Malacca durch die indische Kriegsmarine eskortiert werden. Beobachter sehen darin einen ersten Schritt zu einer strategischen Zusammenarbeit zwischen den Kriegsmarinen beider Länder (C. Raja Mohan: Indian Navy may escort U.S. vessels, in: The Hindu, 18.1.2002, S.1).
George Fernandes kündigte an, dass die indischen Streitkräfte sich erst nach einer konkreten Reaktion Pakistans auf das indische Auslieferungsersuchen von der indisch-pakistanischen Grenze zurückziehen werden (Sridhar Krishnaswami: Pullback only after concrete Pak steps, in: The Hindu, 19.1.2002, S.1).
Der amerikanische Außenminister Colin Powell, aus Islamabad über Kabul nach Delhi kommend, zeigte zwar Verständnis für die indische Position, dass den Worten des pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf konkrete Taten folgen müssten, andererseits betonte er gegenüber der indischen Führung aber auch, dass die beiden Länder ihre Probleme durch "direkten Dialog" lösen müssten. Er vermied diplomatisch jedwede Assoziationen an eine amerikanische Mittlerrolle angesichts entschiedener indischer Befindlichkeiten in dieser Frage. Indische Beobachter billigen den USA jedoch eine einflussreiche Rolle bei dem Bemühen zu, die Spannungen zwischen New Delhi und Islamabad abzubauen. (Powell: India´s wait for results justified, in: Times of India, 18.1.2002, S.1) Indien deutete gegenüber General Powell seine Bereitschaft an, Diskussionen über Jammu & Kashmir als Teil seines ganzheitlichen "Dialogformats" Priorität einzuräumen, falls Pakistan entschieden gegen den Terrorismus vorgeht, der seinem Territorium entspringt. (Response after Pak. Acts on list: Jaswant, in: The Hindu, 19.1.2002, S.1)
Der frühere Außenminister Henry Kissinger, der sich im Januar nach eigenen Angaben zu einem Privatbesuch in Indien aufhielt, traf neben Vajpayee und Innenminister L. K. Advani auch K. C. Pant, der als stellvertretender Leiter der Planungskommission im vergangenen Jahr im Auftrag der Regierung die Gespräche mit verschiedenen Gruppen und Parteien in Jammu & Kashmir geführt hatte. Kissinger sprach sich dafür aus, dass Indien und Pakistan sich die Hand reichen sollten, um das Kashmir-Problem zu lösen (Kissinger for amicable solution to Kashmir issue, in: The Hindu, 18.1.2002, S.9).
Kritiker dieser Politik einer Annäherung an die USA bezeichnen Indien, das einstige Flagschiff der Blockfreien-Bewegung, als Juniorpartner der USA, zudem mit einer "außerordentlich engen strategischen und diplomatischen Partnerschaft mit Israel", das diesen Angaben zufolge nach Russland zum zweitgrößten Waffenlieferanten Indiens mit 2 Mrd. US-Dollar im vergangenen Jahr avancierte. (Praful Bidwai: On the margin, behind the U.S, in: Frontline, 4.1.2002, S.114)
Der von den USA neu erworbene strategische Raum in Südasien könnte sich langfristig "zu einer entscheidenden strategischen Präsenz [der USA] gegenüber Indiens Pakistan-Politik" mit langfristigen politischen Kosten entwickeln. "New Delhi sollte deshalb das neue amerikanische Paradigma der ‚Freundschaft‘ mit Indien und Pakistan in dem sich entwickelnden Kontext ihrer relativen strategischen Bedeutung für Washington adressieren," so ein nicht namentlich gezeichneter Kommentar in der einflussreichen Tageszeitung The Hindu. (The New U. S. Factor. 19.1.2002, S.8) Harkishen Singh Surjeet, der weit über seine Partei hinaus einflussreiche Generalsekretär der Communist Party of India (Marxist), unterstellt, dass die USA "sowohl Pakistan und Indien betrügen würden", denn sie strebten ein unabhängiges Kashmir an, um dort eine Militärbasis zu errichten. (The US wants an independent Kashmir for the sake of a military base, in: The Indian Express, 20.1.2002, S.6)
K. Subrahmanyam machte unmissverständlich deutlich, dass die USA nach ihrer jahrzehntelangen Parteinahme für Pakistan trotz der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen nicht die Rolle eines Vermittlers zwischen Indien und Pakistan spielen können, denn sie würden niemals die Einladung dazu aus New Delhi bekommen: "Die USA kämpfen in diesem Krieg, um Multi-Kulturalismus zu bewahren. Kashmir an Pakistan zu übergeben, würde diese Norm verletzen und wäre eine Belohnung für religiösen Extremismus – eine Ermutigung für die Zwei Nationen-Theorie. Die USA wollen heute den Multikulturalismus in Bosnien, Kosovo, Mazedonien und anderswo bewahren." (US will not hurt Indian interests in J&K, in: Times of India, 19.1.2002, S.5)
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