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28. Januar 2007. Nachrichten: Indien - Politik & Recht Uttarakhand als Neujahrsgeschenk

Der erst im November 2000 gegründete nordindische Unionsstaat Uttaranchal im Zentralhimalaya heißt seit dem 1. Januar 2007 offiziell Uttarakhand. Die hindu-nationalistische Opposition bezeichnet die Umbenennung als Wahltrick.

Chefminister Narayan Dutt Tiwari zeigte sich glücklich über die Umbenennung und beschrieb sie als Neujahrsgeschenk für die Bevölkerung. Seine von der Kongresspartei (Indian National Congress, INC) geführte Regierung habe verfügt, dass der Name auf sämtlichen Schildern geändert werde. Das Landesparlament in Dehradun hatte die gesetzliche Umbenennung bereits im Oktober vergangenen Jahres beschlossen. Damals verließen über die Entscheidung erzürnte oppositionelle Politiker der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) protestierend den Sitzungssaal.

Im Gegensatz zur Umbenennung Bombays in Mumbai oder der erst zwei Monate zurückliegenden Neubenennung der südindischen Metropole Bangalore in Bengaluru spielten die Lossagung von kolonialer Namensgebung und nationalistische Gründe hier keine Rolle. Viele Einwohner des westlich von Nepal gelegenen Bergstaates hätten den jetzigen Namen dennoch gern schon früher als Bezeichnung ihres Staats gehabt. Zumal die Bewegung, die sich über mehrere Jahrzehnte für eine Lossagung der Bergregion von Uttar Pradesh eingesetzt hatte, Uttarakhand Movement hieß. Diese war sowohl aus Protest gegen die zentralistischen Verwaltungsweisen Lucknows entstanden als auch aus der ursprünglichen Baumschutzbewegung (Chipko-Bewegung), in der vor allem Frauen als Umweltschützerinnen aktiv geworden waren. Darüber hinaus wird in alten (hinduistischen) Sanskrittexten das Gebiet bereits als Uttarakhand (nördlicher Teil) bezeichnet.

Aus den 2002 abgehaltenen Wahlen zum Landesparlament ging der INC als Sieger hervor. Die Kongresspartei führte ihren Wahlkampf damals u.a. mit dem Versprechen, die Umbenennung des Unionsstaates zu verwirklichen. Dazu hätte der INC allerdings schon vor über zehn Jahren Gelegenheit gehabt, als die damalige Zentralregierung von Premierminister Narasimha Rao im August 1996 dem Wunsch nach Selbstständigkeit zustimmte. Dem Zugeständnis waren 1994 heftige Unruhen vorausgegangen. Die BJP-geführte Koalitionsregierung in Delhi vollzog dann unter Premierminister Atal Behari Vajpayee die offizielle Loslösung von dem bevölkerungsreichsten indischen Unionsstaat Uttar Pradesh. Die hindu-nationalistischen Kräfte der damaligen Zentralregierung empfanden den Namen Uttarakhand aber als zu sehr mit religiösen Weihen versehen. Daher wurde an uttara (nördlich) anchal (Saum, Rand, Bergkette) gefügt. Gegen den Willen eines erheblichen Teils der lokalen Bevölkerung wurde das Gebiet dann am Ende des Jahres 2000 als 27. der 28 Unionsstaaten der indischen Union unter diesem Namen selbstständig.

Das indische Unterhaus, die Lok Sabha, verabschiedete den nun in Kraft getretenen Beschluss zur Neubenennung im August 2006. Die Entscheidung fand in dem nördlichen Unionsstaat großen Beifall. Vielerorts tanzten Menschen aus Freude über die Entscheidung und zündeten Feuerwerk an.

Führende BJP-Politiker, unter ihnen der ehemalige Chefminister Bhagat Singh Koshiary, bezeichnen unterdessen den Schritt in Hinblick auf die Wahlen zum Landesparlament im nächsten Monat als Wahltrick. Ihnen zufolge koste der Namenswechsel mehr als 400 Crore Rupien (vier Milliarden Rupien, also knapp 70 Millionen Euro). Da die Einwohner dadurch gewaltige unnötige Ausgaben zu tragen hätten, kündigte Prakash Pant, der ehemalige BJP-Fraktionsführer im Landesparlament von Dehradun, an, von nun an, massiv Veruntreuungen der Kongresspartei aufzudecken.

Es ist zu befürchten, dass die Bewohner des Bergstaates sich am 21. Februar tatsächlich vorrangig von der Debatte um die Kosten der Umbennung werden beeinflussen lassen. Dann ist Wahltag für die 70 Sitze ihres Landesparlaments. Angesichts massiver Probleme des Unionsstaats könnte somit ein Nebenthema wichtige andere Aspekte überlagern. Denn die kaum zurückgedrängte Korruption, fehlende und unzureichende Kompensationszahlungen für die Umsiedlung von Tausenden im Zusammenhang mit dem Bau des Staudammes bei Tehri, massive Bürgerproteste gegen den Damm und andererseits unzureichende Energielieferungen, massive Mängel und Fehlinformationen beim Ausbau der Infrastruktur von Regierungsseite dürften für die Lebenssituation der Uttarakhandis von weitaus größerer Bedeutung sein.

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