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17. Februar 2007. Nachrichten: Nepal - Politik & Recht Kasten, Kader und Kasernen

In Nepal hat die Entwaffnung der Guerilla begonnen, die Maoisten sind nun im Parlament. Die bürgerlichen Parteien bemühen sich, ihre Patronagenetze zu reaktivieren.

Mindestens ein Drittel der Versammelten sei unter 16 Jahren, schätzten Mitglieder der verschiedenen UN-Teams, die am 25. Januar die Kasernierung und Entwaffnung der maoistischen Einheiten überwach­ten. Doch die Beobachter wollten keinen Abbruch der gerade angelaufenen Mission riskieren. Noch am selben Abend wurde die Registrierung aller Kader fortgesetzt, womit sie als Kombattanten und da­mit als volljährig anerkannt sind.

Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass die Aufständischen erneut massenhaft Leute rekrutierten. Damals war befürchtet worden, die Führung der Communist Party of Nepal (Maoist) wolle ihre erfahrenen Soldaten behalten, während sich die frisch Rekrutierten öffentlichkeitswirksam entwaffnen lassen. Derzeit sieht es eher so aus, als sei die Angabe, die Partei gebiete über 35.000 Bewaffnete, stark übertrieben gewesen. Das Kontingent musste gefüllt werden, auch um die Forderung zu rechtfertigen, in einer neuen Armee die Hälfte der Soldaten zu stellen.

Neun Monate nach dem Sturz der Dikta­tur König Gyanendras und zwei Monate nach Unterzeichnung eines Friedensvertrags mit der Allparteienregierung sind die Maoisten nun im Parlament, in gleicher Stär­ke wie die Sozialdemokraten und die Kongresspartei. Die bürgerlichen Parteien hatten darauf bestanden, dass ihre im Jahr 1999 gewählten Abgeordneten in das Über­gangs­parlament aufgenommen werden. Bei nur sechs Parlamentarierinnen bleibt die Exklusivität gewahrt.

Die Maoisten haben eine durchaus hetero­gene Gruppe entsandt. Neben Angehöri­gen der Bevölkerungsgruppen, denen jahrhun­dertelang von der Monarchie und den höhe­ren Kasten jeglicher Einfluss verweigert wurde, hat die CPN(M) auch einen ehema­ligen General nominiert. Der Schritt soll eine Annäherung an das Militär vorbereiten und symbolisieren, dass die Maoisten auch in diesen Kreisen Verbündete haben. Das ist notwendig, um die Hoffnung vieler Kader auf eine Stelle mit festem Sold zu erfüllen. Wenn in wenigen Tagen alle Mitglieder der "Volks­befreiungsarmee" kaserniert und ihre Waffenlager versiegelt sind, wird die CPN(M) in die Übergangsregierung eintreten, die Wahlen zu einer verfassungs­gebenden Versammlung im Juni organisieren soll. Erst danach soll die maoistische Guerillaarmee endgültig aufgelöst werden. Der Parteivorsitzende Pra­chanda will keine Regierungsämter übernehmen, beansprucht aber neben vier Ministerien auch den Posten des stellvertretenden Premierministers für seine Partei. Dann würde ein maoistischer Kader die Regierungsgeschäfte übernehmen, wenn der greise Premierminister Girija Prasad Koirala erkranken sollte.

Doch ob über Bodenreform, Demokratisierung der Wirtschaft, Föderalisierung des Landes und Machtbeteiligung der marginalisierten Bevölkerungsgruppen tatsächlich ab Juni diskutiert wird, ist ungewiss. Derzeit wird darüber gestritten, ob das Mehrheits- durch ein Verhältniswahlrecht ersetzt werden soll. Der geltende Modus begüns­tigt die Sozialdemokraten und die Regionalparteien, die hoffen, nach der Entwaffnung der Milizen von der Wiederbelebung ihrer lokalen Patronagenetze zu profitieren.

Erstmals seit Monaten kam es im Januar zu Massenprotesten, nachdem örtliche maoistische Kader einen Aktivisten einer abgespaltenen Gruppe im Terai, dem südlichen Flachland, getötet hatten. Busse und Re­gierungs­gebäude wurden angezündet und der Ausnahmezustand wurde in der Region verhängt. Solche Konflikte schwächen die Führung der CPN(M), deren wichtigster Trumpf die Kontrolle über die Basis und die Unterstützung durch die Minderheiten ist. Je näher wirk­liche Veränderungen rücken, destso weniger werden sich Monarchisten und in Parteien organisierte Honoratioren die Gelegenheit entgehen lassen, solche Konflikte zu ihrem Vorteil zu nutzen.

Quelle: Der Artikel erschien im Original am 31. Januar 2007 in der Jungle World Nummer 05/2007.

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